Bye-Bye, Daddy Cool?

Ein Versuch, mein Scheitern als cooler Vater zu begreifen.

Sebastian Thrul

Erschienen in: Ausgabe 02-2022
Rubriken: Beziehungen

Bye-bye, Daddy Cool? - ein Versuch, mein Scheitern als cooler Vater zu begreifen

Vergangenen Sonntag haben wir eine Fahrradtour gemacht, mein Sohn neben mir auf seinem eigenen Fahrrad, meine Tochter im Anhänger und meine Frau hinter uns. Es hat in Strömen geregnet und ich war innerhalb von kürzester Zeit durchnässt. Zum Glück war es ein warmer Sommerregen, so war die Fahrt relativ angenehm. Dass wir als Kleinfamilie komplett unterwegs sind, ist ungewöhnlich für uns. Ich arbeite unter der Woche recht viel und meine Frau übernimmt weitgehend die Versorgung der Kinder. Deshalb bin ich am Wochenende meistens allein mit den beiden Kindern unterwegs, um Zeit mit ihnen zu verbringen und um meiner Frau zumindest etwas Abstand von den beiden zu ermöglichen.

Nach einiger Zeit auf Feldwegen sind wir an eine vielbefahrene Straße gekommen. Mein Sohn ist fast 6 und braucht noch etwas Hilfe beim Überqueren von Straßen. Wir stehen also da und schauen links und rechts und links. Ich weiss nicht genau, wie es dazu kommt, aber obwohl von links ein Auto kommt, fährt mein Sohn plötzlich los. Ich spür Panik in mir aufsteigen, die sofort zu Wut wird. «Sapperlot!», schrei ich ihm nach. (Eine der vielen merkwürdigen Erfahrungen am Vater Werden ist die Infiltration des eigenen Wortschatzes durch eigentlich längst vergessene Begriffe aus der eigenen Kindheit). Er hält kurz inne, steht dabei mitten auf der Strasse, während das Auto heranrast. Dann fährt er schnell weiter und kommt auf der anderen Seite an. Die trennende Strasse zwischen uns macht mir noch mehr Angst. Was, wenn er zurückzufahren versucht? Ich fahre so schnell wie möglich zu ihm, nachdem weitere Autos zwischen uns hin- und hergefahren sind. «Hey, was war das denn?», fahr ich ihn wütend an. Da bricht es aus ihm heraus und er weint stossartig. Ich küsse sein weiches Gesicht und sage ihm, dass es mir leid tut. Meine Frau ist inzwischen zu uns aufgeschlossen und sieht mich ernst und wütend an.

Meine Gefühlslage ist in diesem Moment sehr komplex. Ich schäme mich vor ihr, dass ich nicht besser auf unseren Sohn aufgepasst habe. In unserer Beziehung hat sich eine Dynamik entwickelt, in der sie vor allem ängstliche Gefühle in Bezug auf das Wohlergehen der Kinder erlebt, ich dagegen eine mutige Rolle einnehme, in der ich den Kindern viel zutraue. Diese Aufteilung führt häufig zu Konflikten, in denen sie mir vorwirft, nicht gut genug auf die Kinder aufzupassen und ich ihr vorwerfe, die Kinder zu sehr zu schützen. Ist ja klar, dass so eine Situation genau dann zustande kommt, wenn sie dabei ist, denke ich wütend. Die Scham und der Unwille gegen die vermeintlichen Vorwürfe meiner Frau überwiegen zunächst. Währenddessen reisst sich mein Sohn ganz abrupt zusammen, hört auf zu weinen und sagt, er will weiterfahren. Es bricht mir fast das Herz, wie ich an ihm beobachten kann, dass er seiner Verletzlichkeit zunehmend weniger Ausdruck verleiht. Mir war schon vor einiger Zeit klar geworden, wie früh die männliche Sozialisation greift, als er vierjährig angefangen hat, vor seinen Kindergarten-Freunden die Milchflasche zu verstecken, mit der ich ihn beim Abholen in Empfang genommen habe. Bloss nicht wie ein Baby wirken! Ich fühle mich hilflos und weiss mir nicht anders zu helfen, als mit ihm weiterzufahren. Während den nächsten Minuten glaube ich die wütenden Blicke meiner Frau im Nacken zu spüren. Um die loszuwerden halte ich an und sage, dass ich was trinken muss. Was zuerst als ein mehr oder weniger bewusstes Schauspiel eigener Betroffenheit angelegt war, um ihr zu signalisieren, dass sie mich in Ruhe lassen soll, wandelt sich auf einmal in wirkliche Betroffenheit. Mir wird plötzlich klar, was gerade beinahe passiert wäre. Mir drängen sich Bilder auf, wie mein kleiner Sohn von dem Auto erfasst wird. Ich muss schlucken, mir kommen die Tränen. Darf ich jetzt weinen? Muss ich nicht stark sein, um meinen Sohn nicht zu verunsichern und meine Frau in Ihrer Sorge zu bestätigen? Ich starre in den Wald, um mir nicht anmerken zu lassen, dass ich gleich in Tränen ausbreche. Während ich um Kontrolle ringe, sag ich mit brechender Stimme, dass wir jetzt weiterfahren. Ein paar vereinzelte Tränen laufen mir die nächsten Minuten über die Wangen und werden direkt vom Regen weggewaschen.

Ich befinde mich in einer sehr intensiven Ausbildung zum Psychoanalytiker. Eine der wichtigsten Erfahrungen aus der theoretischen und praktischen Beschäftigung mit der Psychoanalyse ist die Verwurzelung von Schwierigkeiten Erwachsener in der frühen Kindheit. Bevor ich Vater geworden bin und mich in meine eigene Analyse begeben hab, dachte ich, ich hätte eine große innere Distanz zu männlichen Idealen wie Stärke, Härte und emotionaler Distanziertheit. Als ich im Laufe meiner beginnenden Vaterschaft zunehmend gemerkt hab, wie tief solche Ideale auch in mir verwurzelt sind, habe ich mich auf die Suche nach Erklärungen gemacht. Ich wollte versuchen zu verstehen, warum ich immer wieder daran scheitere, meinem grösstenteils unbewussten Ideal eines coolen Vaters gerecht zu werden. Wenn ich darüber nachdenke, verstehe ich den Begriff der Coolness bewusst doppeldeutig. Einerseits merke ich immer wieder, dass ich im Zusammensein mit meinen Kindern heftigen Gefühlen wie Angst, Wut und teilweise auch Verzweiflung ausgesetzt bin. Ich bin also oft alles andere als abgeklärt und «cool». Diese Gefühle kann ich nicht einfach ausschalten. Nun werden viele Leser*innen zu Recht sagen, dass ich das gar nicht können muss, ganz im Gegenteil. Dem stimme ich zu. Gleichzeitig merke ich, dass ich mich immer wieder dabei beobachten kann, wie ich mich innerlich nach diesem Ideal ausrichte und bewerte. Andererseits werde ich aber auch dem Ideal des «coolen» feministischen Vaters nicht gerecht, der die Versorgung der Kinder zumindest zu gleichen Teilen mit seiner Partnerin übernimmt. Es gibt in unserer Familie eine klare Arbeitsteilung, in der ich vor allem einer Lohnarbeit nachgehe und das Geld nach Hause bringe, und meine Frau wesentlich mehr Reproduktions- und care-Arbeit übernimmt als ich. Ich merke, wie wir die Rollenverteilung der Generation unserer Eltern zumindest teilweise in sehr relevanten Strukturen wiederholen. Zugespitzt könnte man sagen, ich scheitere ständig, sowohl an meinem tief verwurzelten patriarchalen Anspruch, ein emotional abgeklärter Mann zu sein und zu bleiben, und gleichzeitig am Ideal des feministischen Vaters, der tradierte patriarchale Strukturen und Werte hinter sich gelassen hat. Ich will versuchen, mit diesem Scheitern unter Einbezug eines für mich hilfreichen psychoanalytischen Modells produktiv umzugehen.

Babys schreien viel und man findet nicht immer den Grund dafür. Oft schreien sie nachts, wenn man selbst müde ist und eigentlich nicht mehr kann. Eltern sollten dann idealerweise diese affektiv extrem aufgeladenen und anstrengenden Situationen aushalten und für das Baby erträglich machen. Der britische Psychoanalytiker Donald Winnicott[1] hat geschrieben, dass es so etwas wie das Baby gar nicht gibt und damit auf die grenzenlose Abhängigkeit des Babys von seiner primären Bezugsperson angespielt. Das Baby an sich ist aufgrund dieser Abhängigkeit alleine gar nicht denkbar, sondern kann nur als Einheit mit einer versorgenden Person gedacht werden. Dabei geht es neben der Versorgung mit Nahrung und Wärme insbesondere auch um die tiefe emotionale Abhängigkeit. Dem Baby fehlt zunächst der psychische Apparat, um seine inneren und die von aussen eindringenden Reize zu verarbeiten. Es ist also dazu genötigt, die entstehenden inneren Anspannungszustände durch Schreien und Weinen nach außen zu tragen, damit jemand anders stellvertretend damit umgeht und die Situation beruhigt. Dabei geht es weniger um manifeste Befriedigung von Bedürfnissen, als vielmehr um ein Aushalten unlösbarer Situationen. Die versorgende Person ist dabei mit der Notwendigkeit konfrontiert, die eigenen Bedürfnisse und teilweise sogar das eigene subjektive Erleben den Bedürfnissen des Babys zu opfern. Traditionellerweise wird gesellschaftlich davon ausgegangen, dass der Umgang mit diesen unlösbaren Situationen von Müttern zu tragen sei. Aber wie kommt das eigentlich? Dass Mütter die Kinder im Körper tragen und stillen können, setzt ja keineswegs automatisch voraus, dass sie auch die emotionale Versorgung von Babys umfassend übernehmen müssen. Was sind die psychischen Gründe für die fehlende Beteiligung von Vätern in der frühen Kindheit? Warum versuchen Männer krampfhaft, vermeintliche Tugenden wie Stärke und emotionale Teilnahmslosigkeit aufrecht zu erhalten, was bei der Versorgung von Babys schlichtweg unmöglich ist?

Das klassische psychoanalytische Modell der frühkindlichen Entwicklung geht erstmal davon aus, dass eine Familie aus Mutter, Vater und Kind besteht. So weit, so heteronormativ. Die psychoanalytische Theorie läuft immer Gefahr, durch ihre Beschreibungen einer konservativen Lebenswelt genau diese zu reproduzieren. Gleichzeitig ist die Fokussierung auf alte und bestimmt auch teilweise überholte Formen des Zusammenlebens in Familien ihre Stärke. Es ist eindrücklich, wie wirkmächtig solche tradierten Vorstellungen von Weiblichkeit/Mütterlichkeit und Männlichkeit/Väterlichkeit im individuellen, unbewussten Erleben trotz bewusst anderer Werte oft sind. Ich werde darauf zurückkommen.

Um den Faden der klassischen psychoanalytischen Theorie wieder aufzugreifen: In ihr wird davon ausgegangen, dass aufgrund der rein mütterlichen Versorgung des Säuglings in den ersten besonders prägenden Lebensmonaten eine intensive Identifikation mit dem weiblichen Gegenüber stattfindet, fast wie eine Art psychische Verschmelzung. Diese Art von undifferenziertem Erleben führt zu einem Erleben eigener sogenannten Protofemininität bei jedem Säugling – ein Zustand, in dem das Baby eins mit der Mutter ist, sich nicht als getrennt und damit als diffus «weiblich» wahrnimmt. Irgendwann in den ersten Jahren der psychischen Entwicklung des männlichen Kindes kommt dann der Punkt, an dem die körperliche Differenz zur Mutter in sein Bewusstsein dringt. Die Erkenntnis, so basal anders und getrennt von der umfassend versorgenden Mutter zu sein, kann von heftigen Gefühlen wie Angst, Verzweiflung und Neid begleitet sein. Zeitgenössische Psychoanalytiker*innen[2], die sich mit Männlichkeit auseinandersetzen, sprechen deshalb von einem unbewussten Gefühl von Mangel und Verlust als Basis der männlichen Geschlechtsidentität. An diesem Punkt der frühkindlichen Entwicklung des Jungen kommt in der klassischen Theorie zum ersten Mal der Vater zum Zug.  Er bietet sich dem männlichen kleinen Kind als alternative Identifikationsfigur an. Dadurch wird die Mutter zur Anderen, insbesondere wenn der Vater traditionell mütterlich konnotierte Werte wie beispielsweise emotionale Wärme in sich ablehnt und dem Sohn nicht zur Verfügung stellen kann. Damit wird potentiell der Grundstein für die spätere Verachtung des gesamten Erfahrungsschatzes der frühen Kindheit im Jungen gelegt. Wünsche nach emotionaler Abhängigkeit und Gefühle von Hilflosigkeit werden mit frühen Erfahrungen in einem weiblichen Raum assoziiert und umfassend abgelehnt, um eine stabile männliche Identität entwickeln zu können. Dabei gibt es nur einen Haken: Einmal gebahnte Identifikationen können nicht einfach aufgegeben werden, insbesondere dann nicht, wenn sie in der besonders prägenden frühen Kindheit entstanden sind. Sie werden lediglich zurückgedrängt in das unbewusste Erleben. Und so bleibt natürlich jeder Junge und jeder spätere Mann angewiesen auf emotionale Nähe und Versorgung. Was verloren geht, beziehungsweise abgelehnt wird, ist der bewusste Zugang zu diesen Bedürfnissen und ein adäquater Umgang damit. Das hat weitreichende Konsequenzen. So meiden viele Männer Situationen, in denen ihre emotionale Abhängigkeit und Bedürftigkeit sichtbar werden könnte, intuitiv wie der Teufel das Weihwasser, nur um sie dann unbewusst zu reproduzieren. Die psychoanalytisch orientierte Sozialpsychologin Ann-Madeleine Tietge[3] beispielsweise hat mehrere Interviews mit heterosexuellen Paaren tiefenhermeneutisch ausgewertet, die bewusst ein heteronormatives Beziehungsmodell in Frage stellen. Sie kommt zu dem Schluss, dass der bewussten Intention zum Trotz auf unbewusster Ebene dabei häufig eine Mutter-Sohn-Dynamik reproduziert wird, in der die männlichen Partner Freiheit und Unabhängigkeit für sich beanspruchen und ihre Partnerinnen eine verständnisvolle, mütterliche Rolle ihnen gegenüber einnehmen.

Ich lese die eingangs beschriebene Situation unter diesen Vorzeichen. An dem Punkt, an dem in einer bedrohlichen Situation Panik in mir aufsteigt, komme ich innerlich in Kontakt mit einer frühkindlichen Lebenswelt von affektiver Überforderung. Die Hilflosigkeit und Bedürftigkeit kann ich mir nicht eingestehen, sie wird sofort in Wut verwandelt, zuerst auf meinen Sohn und dann auf meine Frau. Später dringt die Panik dann wieder mehr ins Bewusstsein, aber dann dränge ich sie bewusst zurück. Keine Schwäche zeigen, Du musst der Starke sein. Wie sich innerpsychische Dynamik und äußere Anforderungen der männlichen Sozialisation verschränken, kann ich an meinem eigenen alltäglichen Funktionieren als Mann beobachten.

Was lässt sich aus diesen Überlegungen schlussfolgern? Ich gehe davon aus, dass es tatsächlich eine große Relevanz für die psychische Entwicklung von Jungen hat, was sie für frühe Erfahrungen mit Bezugspersonen welchen Geschlechts machen. Wenn Väter präsenter in der Versorgung ihrer Babys sind, müssen sie zwangsläufig emotionale und ökonomische Unterstützung in Anspruch nehmen. Diese Art von Care-Arbeit lässt sich nicht anders bewältigen. Eva Kittay[4], eine feministische Philosophin, spricht davon, dass die versorgende Person emotional umfassend bedürftiger Menschen selbst in einen Zustand sogenannter sekundärer Abhängigkeit kommt. Der Mythos der männlichen Autonomie zerbricht am Wickeltisch. Damit sind wichtige politische Forderungen verbunden. Um auf mein eigenes Beispiel zurückzugreifen: Ein zentraler Grund für unsere «klassische» Aufteilung der Care-Arbeit ist der geschlechtsabhängige Einkommensunterschied. Meine Frau erhält als Erzieherin nach fünfjähriger Ausbildung und mit langjähriger Berufserfahrung einen Lohn, der schlicht lachhaft ist. Das hat viel damit zu tun, dass mütterlich konnotierte Tätigkeiten nach wie vor gesamtgesellschaftlich ökonomisch entwertet werden. Gleichzeitig gibt es neben diesen externen Bedingungen wichtige intrapsychische Gründe, warum Männer sich aus der frühen Versorgung von Kindern raushalten. Ökonomische Anreize wie extra Elternzeit für Väter führen aktuell eher dazu, dass junge Familien in den zwei Monaten, die ihnen in Deutschland dann zusätzlich zur Verfügung stehen, beispielsweise gemeinsam auf Reisen gehen. Das ist sicher auch schön, trägt aber nicht dazu bei, dass Väter mehr alltägliche Care-Arbeit übernehmen. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn Männer sich ihren eigenen Wünschen nach emotionaler Nähe mehr stellen und dem nachgehen, was sie davon abhält, in allen möglichen Beziehungen verantwortungsvoll mit diesen Bedürfnissen umzugehen. Wie ich versucht habe an meinem eigenen Beispiel zu zeigen, reichen die Wurzeln der Idealisierung von Unabhängigkeit und Stärke tief. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass pure Willenskraft und Strenge mit Männern relevante Veränderungen auf psychischer Ebene zur Folge haben werden. Im Endeffekt wiederholt die Vorstellung von Anstrengung und Selbstdisziplinierung dabei nur das männliche Ideal der Selbstüberwindung. Ohne Verständnis wird es nicht gehen. Und damit ist vor allem auch die Einsicht der Männer und Väter selbst in die grundlegende Abhängigkeit von anderen gemeint. Psychotherapie kann dabei zwar helfen, ist aber kein Allheilmittel und steht aus ökonomischen Gründen auch bei weitem nicht allen Menschen zur Verfügung. Wo sie zur Verfügung steht, ist sie oft darauf ausgelegt in möglichst wenig Sitzungen das Verhalten zu verändern. Hier lassen sich ökonomische Forderungen nicht von der individuellen Verantwortung trennen. Es müssen auf politischer Ebene Räume erkämpft werden, in denen alle Menschen, aber eben auch Männer sich nicht mit einer gnadenlosen Verwertungslogik konfrontiert sehen und in denen sich Veränderungsprozesse entfalten dürfen. Und gleichzeitig ist jeder einzelne selbst dafür verantwortlich, sich in diesen Räumen seiner eigenen Bedürftigkeit zu stellen und sie anzunehmen, um dann wiederum verantwortungsbewusst damit umgehen zu können.

Wie bin ich also weiter mit der eingangs beschriebenen Situation umgegangen? Während wir weiter durch den Regen gefahren sind, habe ich nachgedacht. Einige der Gedanken, die mir gekommen sind, finden sich in diesem Text wieder. Mir sind nochmal die Tränen gekommen, als mir klargeworden ist, wie groß mein Anteil an den Schwierigkeiten meines Sohnes ist, seine Verletzlichkeit wirklich zu zeigen. Männliche Sozialisation findet nun mal vor allem in der Herkunftsfamilie statt. Als wir am Spielplatz, unserem Ziel, angekommen waren, habe ich zuerst mit meinem Sohn geredet. Ich habe ihm davon erzählt, wie ich geweint hab, weil ich so Angst um ihn hatte und dass er, seine Schwester und seine Mama die liebsten Menschen für mich sind. Ich habe mich nochmal entschuldigt und habe ihm erklärt, wie bei mir manchmal Angst zu Wut wird. Danach habe ich mit meiner Frau darüber geredet, wie viel Angst uns die Situation gemacht hat. Wir haben uns umarmt und gemeinsam überlegt, wie ich die Kinder in solchen Situationen besser schützen kann. Uns ist klar geworden, wie viel Glück man haben muss, um ein Kind ohne größere Verletzungen groß zu ziehen. Ich habe mich bei ihr dafür entschuldigt, dass ich es ihr so oft zuschiebe, unvermeidbare Angst und Hilflosigkeit im Zusammensein mit den Kindern auszuhalten. Das ist sicherlich alles nicht optimal gelaufen, aber es ist das, was mir in der Situation möglich war. Und so bleibt meine ambivalente Beschäftigung damit, ein «cooler» Vater sein zu wollen ein offener Prozess, den ich Tag für Tag neu aushandle.


[1] D.W. Winnicott, The Maturational Processes and the Facilitating Environment

[2] S. z.B. M. Diamond: Masculinity and its Discontents: The Male Psyche and the Inherent Tensions of Maturing Manhood

[3] A.-M. Tietge: Make Love, Don’t Gender!? Heteronormativitätskritik und Männlichkeit in heterosexuell definierten Paarbeziehungen

[4] E.F. Kittay: Love’s Labor - Essays on Women, Equality and Dependency