Flirten 101 #01

Flirten aus schüchterner und hinterfragender Perspektive

Blu Doppe

Erschienen in: Ausgabe 01-2021
Rubriken: Sex & Flirten

Als ich vor ein paar Jahren anfing, mich intensiver mit „angenehmem Flirten“ auseinanderzusetzen, nicht auf einer praktischen, sondern eher auf einer reflektierenden Ebene, kam mir das Thema noch größer und schwieriger vor als davor schon. Ich war schon immer eher die schüchterne Person, die sich wünschte, dass andere Menschen auf sie zugingen, was allerdings relativ selten passierte. Ich war mir mit dem ganzen Thema sehr unsicher und besprach das irgendwann mit meinen Friends. Auch sie waren unsicher, dachten genau wie ich, dass alle anderen easy und entspannt flirten konnten und sie nicht. Ich fand nach und nach heraus, dass die coolen, hart und arrogant dreinschauenden Menschen eher schüchtern waren, so wie ich und dass sich tolle Gespräche ergaben, wenn ich am Anfang meine Unsicherheit mit ihnen teilte. Es wirkte dann oft so, als fiele auf allen Seiten ein bisschen von der Performance-Anspannung ab und als würden die Schultern dadurch ein bisschen lockerer. Umso mehr ich mit Menschen übers Flirten redete, desto mehr Perspektiven und Vielfalt ergaben sich. Ich fand zudem heraus, dass viele Frauen eine unglaubliche Anzahl an schlechten Erfahrungen gesammelt hatten und meistens auf einer Party nur im Verteidigungs- und Abwehrmodus waren.

Ich wollte gerne aus diesen ganzen Spielen und kontrollierten Übergriffigkeiten (sich z. B. langsam näher an Menschen ranzusetzen und zu gucken, was passiert) ausbrechen, die mir in meiner Jugend von unzähligen Filmen und Werbespots vermittelt worden waren und die uns auch immer noch weiter vermittelt werden. Die Frage war nur: Wie?

  1. Erkenntnis: Menschen sind aus den unterschiedlichsten Gründen auf einer Party. Flirten und neue Menschen kennenlernen kann einer davon sein. Tanzen, Substanzen Konsumieren, einfach nur Rumchillen usw. können auch Gründe sein. Manche Menschen haben einfach nie Lust auf Flirten. Sie mögen das Setting auf Partys nicht oder sie sind nicht interessiert an mir wegen ihrer sexuellen Orientierung oder, weil ich einfach nicht „ihr Typ“ bin.
  2. Erkenntnis: Viele Menschen haben viele schlechte Erfahrungen beim Flirten gemacht, deshalb probiere ich Menschen so viel Raum wie möglich und auch Ausstiegsoptionen zu geben, um aus der Situation verschwinden zu können. Zum Beispiel kann ich es erstmal mit dem Aufbau von Blickkontakt probieren. Schauen nicht Starren! Wenn die andere Person mehrmals zurückguckt, vielleicht lächelt, können wir ja aufeinander zugehen. Wenn es nicht so ist, lasse ich es einfach und tanze weiter.
  3. Erkenntnis: Menschen flirten aus den unterschiedlichsten Gründen. One-Night-Stands und Beziehungspartner*innen zu finden, wird uns oft als das Hauptziel vermittelt. Diese Annahme macht sehr viel kaputt, weil sie total einschränkend für die Fülle an Optionen ist. Einige Menschen wollen nur flirten um des Flirtens willen, andere um danach noch um die Häuser zu ziehen, wieder andere wollen gerne kuschelnd einschlafen und am nächsten Morgen gemeinsam frühstücken. Es ist schwer über unsere Bedürfnisse bei einer flirtigen Situation offen zu reden, aber es lohnt sich so sehr!

Mit diesen kleinen Erkenntnissen entlasse ich euch in euren nächsten Flirt, wenn ihr wollt! ;-)

Blu Doppe gibt seit einigen Jahren Workshops zu kritischer Auseinandersetzung mit Männlichkeit, zu Flirten und Konsens. In der Rubrik Flirten 101 wird Blu in den folgenden Ausgaben aus dem Nähkästchen plaudern und die Flirtbasics seiner Workshops weitergeben. Blu betreibt außerdem den Blog queertopia.blogsport.de