Prägende Jungs- und Männerfiguren (1983 bis 2001)
Männlichen Figuren und Vorbilder, die dem Autor in Kindheit und Jugend geboten wurden.
Prägende Jungs- und Männerfiguren (1983 bis 2001)
Mein Vater, sein sonnenwarmer Blick.
S. der mich im Kindergarten beschützt.
Das angebotene Jungs-Repertoire beim Kindergarten-Fasching: Tiger, Löwe, Cowboy, Pirat.
He-Mans definierte Muskeln und die Beule in seiner Fellhose.
Der geniale Einfall des Meisterdetektivs Kalle Blomquist, der sich aus einem von außen abgeschlossenen Raum befreit, indem er ein Stück Zeitungspapier unter der Tür durchschiebt, mit einem Stück Draht den Schlüssel aus dem Schloss drückt, der auf das Papier fällt und den er dann auf dem Papier unter der Tür durchzieht.
Die klare Hierarchisierung der TKKG-Clique: Tarzan ist besser als Karl ist besser als Klößchen ist immer noch besser als Gabi.
Dinosaurier jeglicher Art: Archeopterix, Stegosaurus, Tyrannosaurus Rex. Seit Jurassic Park der Velociraptor, er ist schnell, schlau und tödlich, Raptoren sind klein, ich kann mich mit ihnen identifizieren. Aber wen möchte ich töten, fressen?
Zeichentrickserien mit tierischen Detektiven. Später Serien über Männer mit Muskeln, Waffen, Gut gegen Böse: Masters of the Universe, Sabor Rider & The Star Sherrifs, Das Phantom, Transformers.
Die Becker-Faust.
Mein Onkel, der sagt: ich werfe dich auf den Grill und dabei lacht.
Mein Onkel, der sagt: bleib sitzen, lass das mal die Weiber machen.
Noch mehr Actionfiguren, fast ausschließlich männliche Charaktere. Ich spiele immer das selbe mit ihnen: Die einzige Frau wird von den Bösen gefangen genommen und in ein Verließ gesperrt. Die Guten kommen, um die Frau zu befreien. Ein Kampf. Der Sieger “bekommt” die Frau.
B., den ich im Kids Club während des Mallorca-Urlaubs kennenlerne, der Egoshooter in der Spielhalle zockt und so viel frecher ist als ich und ich glaube, dass diese Frechheit Mut ist.
Michael Jordans Slamdunk von der Freiwurflinie.
Mein Beamtenvater.
Mit meinen Eltern 1990 die Tagesschau gucken: Helmut Kohl als Urbild eines Politikers.
R., der mich in der großen Pause ärgert und mich Gartenzwerg nennt, dessen Nähe ich dennoch suche und nach dessen Anerkennung ich lechze.
M., der jeder Zeit zuschlagen könnte.
Der einem Bananenschalen ins Gesicht wirft und dabei lacht.
G., der mich beschützt.
S., dessen Tischtennisschläger mehr Grip hat, als meiner.
Die Backstreetboys, Bad Boys, Beverly Hills Cop und Bruce Lee.
Unser Nachbar, der ein teureres Auto fährt als mein Vater.
Unser Nachbar, der in seinem Kalender sehr viele Poster von nackten Frauen hat.
Mein Vater, der so voller Geduld und Güte mit meiner depressiven Mutter umgeht.
Mein Vater, der sich mit passiver Aggression vor der Depression meiner Mutter schützt.
Männliche Lehrer habe ich erst auf dem Gymnasium: Der Mathelehrer, der die Mädchen vor der Tafel zum Weinen bringt: „So wird das nichts, du Dummchen.“ Der Ethiklehrer, der sagt: „Wer sich so verführerisch anzieht, wie unsere Mitschülerin K., geht doch auf die Straße, um vergewaltigt zu werden.“
S., der mir mit 12 sagt, ich solle weniger Zeit mit Mädchen verbringen, sonst dürfe ich nicht mehr mit den Jungs rumhängen.
Der Sportlehrer, der bei der Bocksprunghilfestellung von K. und J. sagt: „Jetzt kommt meine Belohnung für die harte Arbeit als Lehrer.“
Herrn Bischoff, der den Konfirmandenunterricht geleitet hat. Ich dachte Herr Bischoff sei der Bischoff, dabei war er der Diakon.
Jean Claude Van Damme.
Männer in Filmen mit Waffen, die sehr viele Menschen töten.
Mein Mitschüler A., der sagt: Ich stech dir die Augen aus und piss in deinen Totenschädel.
Mein Mitschüler B., der alle Mädchen fragt: „Bist du feucht?“ Und wenn sie (wie immer) verneinen: „Schade, sonst hätte ich‘s dir gegeben.“
Mein Mitschüler C., der eine große Sammlung an T-Shirts mit Sprüchen hat: „Dort Mund“ (mit einem Pfeil nach unten), „Ambulanter Deflorationsdienst – mache auch Hausbesuche“, „Wer ficken will muss freundlich sein“.
D., der mir die Pornos seines großen Bruders zeigt und sich neben mir einen runterholt, und dessen erigierter Penis mich in all seinen Details überfordert.
Die Jungs im Basketballverein, ihre Größe, ihre Kraft, ihre Behaarung, die Geschichten, die sie erzählen und “verkörpern”. Konkret: Ich sehe ausgeprägte Muskeln und lange Erwachsenenpenisse und schwarze Haare in den Achselhöhlen, an den Beinen, am Arsch und sogar auf der Brust von zwei oder drei der Jungs, während ich nur einen Hauch blonden Flaum in der Achsel habe. Ich rede mir noch einige Jahre ein, dass auch meine Achselhaare nachdunkeln würden, mit der Zeit, irgendwann wirklich, ich habe es erst vor kurzem aufgegeben.
Mein Basketballtrainer: „Du musst schnell sein, wie Porsche!“
M, der der Stärkste aus meiner Klasse ist und P. in der großen Pause aufs Ohr schlägt, so dass das Trommelfell reißt.
Schüler T. aus einer höheren Klasse, der immer in der Raucherecke steht und sagt: Wenn du diese Band hörst, bist du auf dem richtigen Weg, dann kann dir musikalisch nichts mehr passieren.
Ebendiese Band, mit harten Gitarren und ordentlich Wumms.
Ein anderer älterer Schüler, der in einer Band spielt und dessen verschlafene Egalhaltung mich beeindruckt.
Ein Freund, der mir eine Konzertkarte spendiert für eine Show, die ich mir nicht leisten kann, da er schon im Beruf ist und etwas Geld verdient und mir das Gefühl gibt, dass das absolut in Ordnung sei.
Der Sänger einer Band aus der Region, der sich selbstbewusst auf der Bühne schüttelt, verausgabt und der dabei so wahnsinnig gut aussieht und der ein Shirt der Hardcore-Band NoMeansNo trägt.
Ebendieser Sänger, der gerne „Groupies im Backstage vernascht“.
Auf den Konzerten vertreten: Muskulöse Typen oben ohne, die sich Arme und Beine dehnen, bevor sie mit fliegenden Fäusten den Moshpit betreten.
Die Tatsache, dass ich nur männliche Personen sehe, die Rockmusik oder Hip Hop machen, Frauen auf der Bühne dann immer nur “schöne Backing-Vocals”.
Die Idee des Rockstars als Groupie-Magnet, der Wunsch, völlig zugedröhnt in einem Hotelzimmer zu liegen und mich von vielen Frauen gleichzeitig “verwöhnen zu lassen”.
Das Cover eines Albums der Toten Hosen, auf dem sie inmitten von dreißig nackten Frauen sitzen.
Wirklich jede männliche Person, die größer ist als ich.
Wirklich jede männliche Person mit Bartwuchs.
Der 2 Jahre ältere Sohn von Freunden meiner Eltern, der mir immer dieses verdammte kleine Stück voraus ist in allem: Sport, Mode, Musik, Erfahrungen mit Mädchen.
A., aus dem besetzten Haus, der exakt sieben Sekunden braucht, um eine Dose Bier zu exen und dem H. während einer Party auf den Penis kotzt, als sie ihm betrunken einen bläst.
Der Frauenheld aus einer x-beliebigen Serie, der Frauen nicht ernst nimmt, ihnen das Wort abschneidet, sie sexualisiert oder in irgendeiner Form ihren Willen ignoriert.
Aber auch der Typ, der sanft ist und schlau und verständnisvoll, also das, was in den neunzigern abwertend als “Frauenversteher” bezeichnet wurde.
Hugh Grant.
Ein Freund meiner Eltern, der oft sexistische Witze macht, zum Beispiel, dass das Wort “fik-tiv” das einzige Fremdwort sei, das eine Frau kenne.
Die Tatsache, dass alle Menschen, die etwas im Fernsehen erklären, Männer sind.
Die Faszination für den Typus “intelligenter Gewaltverbrecher”.
Die Faszination für den Typus Gewaltherrscher.
Die Idee des genialen Autors.
Erst Ende der 90er: Pornos auf VHS-Kassetten, die ich aus der Videothek mitgehen lasse. Darauf: dominierende Dampfhammerrammler.
Mein Versorgervater.
Thomas D von den Fantastischen Vier.
Quentin Tarrantino.
Rambo.
Fußballspieler waren mir immer schon egal.
Herr N., der uns in seinem Philosophieunterricht nie bevormundet und so behutsam mit uns umgeht, langsam an die komplexen Gedanken des französischen Existentialismus heranführt.
Mein Mitschüler P., der damit angibt, meiner Mitschülerin S. auf die Brüste ejakuliert zu haben (und ein Foto herumzeigt); der Neid auf beides: die Handlung selbst und den Mut darauf stolz zu sein.
Die simple Zahl,1.000: mit so vielen Frauen, hat Playboygründer Hugh Hefner geschlafen.
Hermann Hesse, Harry Haller, Hulk Hogan
Kurt Cobain eine Art Chiffre, auch jenseits seines konkreten musikalischen Erfolgs und seines Suizids, er steht für das Überkommen von herkömmlichen Strukturen durch seine Authentizität, die Idee, dass alternativ sein, anders als der Mainstream, überhaupt eine berechtigte Möglichkeit für das eigene Leben ist und hat sich zudem immer klar gegen Sexismus positioniert.
Nicht nur Kurt Cobain, auch Herr N. hat Suizid begangen.
Punker.
Der Typ aus High Fidelity.
Distinktion entdecken, Expertentum. Nerdige Besitzer obskurer Plattenläden anhimmeln. Sich zeigen anhand der Kenntnis der Subkultur. Politisierter Punk, antirassistisch, antisexistisch, überall Aufkleber hinbappen: Zerschmetterte Hakenkreuze, zerschmetterte Macker. Dennoch, die Politisierung dient auch als Abgrenzung, das Prinzip dahinter ebenso: Ich bin besser als andere.